Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer

 

Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.
[Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.]
Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer

(Anmerkung: Der Satz in eckigen Klammern gehört zum originalen Text, fehlt aber im Evangelischen Gesangbuch. Da die Gemeinde diese Fassung während der Predigt vor Augen hatte, bin ich auf diesen Satz auch nicht eingegangen.)

 

Liebe Gemeinde,

dieses Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer steht in unserem Gesangbuch. Es ist Teil eines längeren Textes, den Bonhoeffer 1943 unter dem Titel: "Nach zehn Jahren" schrieb. Zehn Jahre nach der Machtergreifung Adolf Hitlers, zehn Jahre nach dem Beginn der Auseinandersetzungen innerhalb der evangelischen Kirche um den rechten Weg. Auf diesem Hintergrund klingen manche der Sätze Bonhoeffers in diesem Bekenntnis plötzlich ganz anders. Vielleicht sogar provozierend: 

"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will." Auch aus dem Nationalsozialismus? Auch aus Krieg und Massenvernichtung?

Oder:

"Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen." Was heißt das denn konkret? Konkret für Menschen, die unsägliches Leid erleben, furchtbare Schmerzen, Entsetzliches mit ansehen müssen?

Fragen wir uns also zunächst einmal: Wie findet solch ein - eher privater - Text den Weg in unser Gesangbuch? Und dann weiter: Was macht ein Bekenntnis zu einem Bekenntnis? 

Zwei Dinge müssen zusammen kommen:

- ein Mensch muss seinen Glauben in einer bestimmten Situation "bekennen", benennen, beschreiben, aufschreiben, anderen zugänglich machen; und:

- die Gedanken dieses Menschen, diese Glaubensüberzeugungen, der er in einer bestimmten Situation formuliert, für sich festhält, müssen Gedanken enthalten, die über diese konkrete Situation hinaus Menschen ansprechen.

Das erste ist längst geschehen. Dietrich Bonhoeffer hat dieses Bekenntnis 1934 formuliert und in seiner kleinen Schrift festgehalten, seinen Freunden und Verwandten übergeben - und die haben es über den Krieg hinaus und damit über das Lebensende Bonhoeffers hinaus aufgehoben.

Nach dem Krieg war Bonhoeffer zunächst vergessen, bis er dann später eine Wiederentdeckung erfuhr und seine Schriften eine weite Verbreitung fanden. Auch, weil er weitsichtige und klare Gedanken formulierte, die weit über seine Lebenssituation hinaus gingen. Das gilt auch für sein Bekenntnis.

- Gemeinsam sprechen - 

Natürlich klingen diese Worte anders, wenn wir nun wissen, dass er sie im Dritten Reich und angesichts des Widerstandes gegen Hitler geschrieben hat. Aber dennoch rühren diese Worte auch eigene Gedanken, Gefühle, Erinnerungen an, lassen uns an bestimmte Momente aus unserem Leben, dem ganz persönlichem als auch dem gesellschaftlichen oder gar weltweiten Leben denken.

"Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will."

Ein harter Satz. Aus allem. Auch aus dem Bösesten. Das fällt uns schwer, nach zu sprechen. Weil alles in uns sich dagegen auflehnt. Wir fragen doch eher: muss es das Böse wirklich geben? Was ist das für ein Gott, der solches zulässt? Und doch: Wir ahnen, dass in diesen Satz eine Wahrheit verborgen liegt. Eine Wahrheit, die sich erst erschließt, wenn ich meinen Horizont überschreite. Abstand zu mir selbst bekomme. Was mir oft genug nicht leicht fällt. Doch wenn es gelingt: was hat es mit meinem Leben auf sich? Was wird einst bleiben? Was wird von mir übrig bleiben? Glaube ich, so glaube ich doch, dass ich einst für immer Frieden finde. Und das lässt manches hier auf Erden in einem anderen Licht erscheinen. Ob Dietrich Bonhoeffer sich hätte erträumen lassen, was auch seinen Gedanken einmal wird? Wäre ohne seinen Märtyrertod so viel aus seinen Gedanken entstanden?


"Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen."

Oh ja, Gott braucht Menschen, die sich alles zu Besten dienen lasen. Das heißt ja oft genug, Menschen, die zum Einsatz für ihn bereit sind - auch gegen ihren eigentlichen Willen, die bereit sind, etwas aufs Spiel zu setzen. Vielleicht geht uns dieser Satz besonders schwer über die Lippen, weil wir ahnen, was wir zu verlieren haben, was wir verlieren könnten, wenn es für uns zur Entscheidung käme: entweder etwas mir wichtiges und wertvolles zu verlieren - im schlimmsten Fall mein Leben oder dann meinen Gott zu verleugnen...


"Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen."

Wäre das nicht schön, wir wüssten im voraus vor jeder Prüfung, jeder Krankheit, jeder Herausforderung, jeder Anfeindung und jedem Konflikt, dass Gott uns genügend Kraft zum Widerstand, zum Aushalten geben würde? Aber dann wäre die Angst, die Unsicherheit im voraus schon überwunden und wir würden uns eher auf unseren "Besitz" verlassen als auf ihn.


"In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein."

Interessanterweise schreibt Bonhoeffer hier "müsste". Nicht: "ist". Oder "sollte doch". Nein, er schriebt: "müßte". Ausdruck seiner eigenen Unsicherheit? Wer will es ihm verdenken. Luther schrieb immer wieder vom Glauben und dem Zweifel, die miteinander in Streit liegen, vom Glauben, der von Gott kommt, und vom Zweifel der aus der menschlichen Seele emporsteigt, man könnte auch sagen aus dem Unglauben oder der Sünde, das bleibt sich letztlich gleich.


"Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet."

Gebete und Taten. Das erinnert mich an das "Ora und labora" der Benediktiner. Aber es leuchtet auch spontan ein. Beten ohne Tat ist Beruhigung, Taten ohne Beten ist blinder Aktionismus. Kommt aber beides zusammen, so wird es realistisch.

So bin ich nun das ganze Bekenntnis durchgegangen. Habe versucht, meine Gedanken zu den einzelnen Sätzen zu nennen. Wenn ich es nun spreche, dann werde ich es vermutlich bewußter sprechen. Genauer wissen, welche dieser Sätze auch mein Bekenntnis sein können, aber auch, wo ich eventuell anderer Meinung bin als Bonhoeffer. Ein Bekenntnis ist ja keine Verpflichtung, nichts was ich einfach für wahr muss, sondern es ist eine Einladung zum mitdenken und mitsprechen. Da, wo ich es kann.

Amen.